– von Kalevi Aho
Inhaltsverzeichnis
Die Letzten der Dinosaurier am Ende der Zeiten
Im Oktober 2001 veranstaltete die Gesellschaft Finnischer Komponisten ein Symposion zum Thema ”Der Komponist und die Werte.” in seinem Eröffnungsreferat stellte der Komponist Mikko Heiniö eine provokante Frage: ”Was, wenn wir die letzten der Dinosaurier wären, übergewichtige Vegetarier, die in einem uns günstigen Klima prächtig gedeihen und den Kometen nicht bemerken.” 1
In Mitteleuropa sind ästhetische und ethische Fragen zeitgenössischen Komponierens ähnlich überspitzt formuliert und diskutiert worden. Der deutsche Komponist und Musikwissenschafter Rainer Riehn hat das Komponieren an sich in Frage gestellt:
Hat es überhaupt Sinn, heute zu komponieren? […] Sind nicht alle Modelle — seien sie politischer oder autonomer Art — gescheitert, und wenn ich sage gescheitert, so meine ich: sie finden keine Resonanz mehr. Die Avantgarde wird offenbar total integriert, konsumierbar, geschluckt, sie erregt nicht einmal mehr den geringsten Anstoß. Leute, die heute ins Konzert gehen, applaudieren fast allem unterschiedslos. Oder die politische Musik ist eben, wie wir wissen, auch gescheitert, hat nicht das Mindeste bewirkt. Wo ist also überhaupt noch eine Möglichkeit, wo ein Ansporn für einen Komponisten? 2
Kritik an der Misere der Komponisten und an der Haltung des zeitgenössischen Publikums ist in Komponistenkreisen vermehrt laut geworden. Der englische Komponist John Tavener etwa meint: „Wir leben in einer in Trümmer liegenden Kultur, am Ende eines Zeitalters.“ 3 Für ihn steht fest, dass mit der Säkularisierung der Musik die westliche Musik schon vor langer Zeit zum Entgleisen kam. Er schreibt:
Messiaen sagte, dass Musik vor Hunderten von Jahren eine falsche Richtung einschlug. Ich kann nur vermuten [schreibt Tavener], dass er damit meinte, dass die Kunst mit der Entdeckung des Ich in der Renaissance verweltlicht wurde. Ich glaube [schreibt Tavener weiter], dass die Kunst zur Zeit Beethovens eine große Höhe erreichte, aber Sakrales findet sich beim späten Beethoven nicht 4
Der russische Komponist Wladimir Martinow (*1946) geht noch einen Schritt weiter als Tavener und verabschiedet sich überhaupt vom Konzept der „Komposition“, das ein wesentlicher Bestandteil zeitgenössischer westlicher Musik ist. Martinow sieht sich nicht mehr als „komponierendes Individuum, als Subjekt oder als Ich im herkömmlichen Sinn.“ 5 In seinem Buch The End of the Time of Composers beschreibt er Komponieren als ein vom Zen beeinflusstes Konzept, einen Akt, bei dem es müßig erscheint, auch nur Betrachtungen darüber anzustellen, ob ein Subjekt, oder ein Selbst, ein Ich, überhaupt existiert.
Schon in den 50er Jahren kam John Cage in seiner Philosophie der Musik zu einer sogar noch radikaleren Schlussfolgerung, die gleichfalls stark vom Zen-Buddhismus beeinflusst war. Cage erreichte den „absoluten Nullpunkt“ und ersetzte die musikalische Struktur durch Zufallsoperationen und den Inhalt bzw. die Bedeutung durch vollständige Abwesenheit dessen, was traditioneller Weise als musikalische „Bedeutung“ bezeichnet wurde. In seiner Music of Changes (1951) etwa wirft der Komponist Cage Würfel, um sein musikalisches Material zu wählen – ein Verfahren, das in der sich dem „Zufall“ verdankenden Anordnung musikalischer Gesten in der fertigen Partitur mündet. In Stücken wie Imaginary Landscape No. 4 for 12 Radios (1951) and 4’33“ (1952) wird überhaupt der Begriff der „Komposition“ in den Hintergrund gedrängt. Die Notation hat nicht mehr die Funktion anzugeben, wie die „Komposition“ aufgeführt werden soll und hat auch keine sich unterscheidende klangliche Identität mehr.
Musikalisches Material und sozialer Fortschritt
Wie sind wir auf diesen „absoluten Nullpunkt“ der klassischen Musik gekommen? Und kann man etwas unternehmen, um dem „Komponieren“ wieder den traditionellen kommunikativen Rahmen zu geben? Wie kann man erklären, was Riehn den “kaputten Stand“ des Komponierens“ nennt? Die gegenwärtigen Probleme der westlichen Musik nahmen für den darin stark von Messiaen beeinflussten John Tavener mit der Entwicklung der Harmonie und des Kontrapunktes ihren Anfang. Damit, so ist er überzeugt, drängten sich das musikalische Material und seine Manipulation durch den Komponisten in den Vordergrund. 6 Messiaen kam zur Ansicht, dass die Situation nicht eben ideal sei, jedoch der Komponist, mit Harmonie und Kontrapunkt am Hals, keine andere Wahl hätte, als mit dem Komponieren „nun einfach weiter zu machen.“ Tavener jedoch sieht die Möglichkeit einer Rückkehr zu den Wurzeln des klassischen Kompositionsbegriffes. Es würde, schreibt Tavener,
… großen Mutes und vielleicht auch großer Demut bedürfen, um loszulassen und zu sagen: `Keinen Kontrapunkt, keine Harmonielehre; ist es möglich, zu diesen einfachen modalen Tonarten zurück zu kehren?´ Ich glaube, dass alle diese modalen Tonarten – die byzantinischen, jüdischen, moslemischen oder hinduistischen -, auf den Ursprung der Zivilisation zurückgehen. Wer weiß, vielleicht muss man diesen Weg beschreiten, um wahrhaft theophane Musik zu schreiben – Musik, die von Gott kommt 7
In der Regel stößt diese Art des Denkens in Kreisen zeitgenössischer Musikschaffender auf heftige Ablehnung, weil das musikalische Material – seine Komplexität, Struktur und Zeitlosigkeit – von vielen immer noch als das Wichtigste einer Komposition angesehen wird. Viele finnische Komponisten sind dieser Ansicht. Lauri Kilpiö (*1974) bekannte beim zuvor genannten Symposion, dass seine kompositorischen Werte nur durch das Aufspüren neuer Ausdrucksformen und durch das Ver- und Bearbeiten für ihn neuen musikalischen Materials entstehen. Für ihn gibt es beim Komponieren keine anderen Werte. Kilpiö schreibt:
Neues ist also für mich ein Wert an sich. Andererseits möchte mich ich sehr wohl der Tradition so weit wie möglich bewusst sein. Auf stilistischer Ebene strebe ich Detail-, Klang- und Ausdrucksreichtum sowie Komplexität an. 8
Werte des Komponierens, die ohne Bindung an Stil und Technik bleiben, gelten in der zeitgenössischen Musik offenbar immer noch als eine schamlose Ungeheuerlichkeit oder sind mit einem Tabu belegt. Unter Werten verstehe ich hier: inhaltlichen, gesellschaftlichen und emotionalen Anspruch, Musik für bestimmte Gelegenheiten, Musik mit Anspruch auf Verständlichkeit, Musik mit Unterhaltungswert oder für sakrale Zwecke. Fast hat es den Anschein, als würden sich viele Komponisten davor fürchten, in den Augen ihrer Kollegen lächerlich zu wirken, wenn sie zum Beispiel plötzlich davon zu sprechen anfingen, Musik habe „etwas mitzuteilen“, habe eine „Botschaft.“
Die Bedeutung, die man gemeinhin „dem Material“ zumisst, ist vom unausweichlichen Einfluss herrschender Institutionen auf die Gattungen und Stile, die sie hervorbringen, nicht zu trennen. Zeitgenössische Musik ist, wie der finnische Komponist Harri Wessman (*1949) einmal gesagt hat, hermetisch geworden. Komponisten, die für den Konzertsaal komponieren, sind bereit, ihre Arbeiten im Wesentlichen dem Rahmen einzupassen, der von den Musikinstitutionen vorgegeben wird. Das Ergebnis: Das Reich des Gegenwartskomponisten beschränkt sich auf Instrumentalmusik für vergleichsweise kleine Ensembles, auf elektroakustische und Computermusik. Nur in den seltenen Fällen, in welchen es einem Komponisten gelingt, ein Sinfonieorchester zu überreden, eines seiner Werk aufzuführen, kann diese Herrschaft auf das Gebiet der Orchestermusik ausgedehnt werden. Wessman hat eine Reihe von Strategien entwickelt, den, wie er sagt, „elfenbeinernen Turm abzutragen,“ indem er etwa eine Vielzahl von Musikstücken zu pädagogischen Zwecken, Gebrauchsmusik oder Gelegenheitsmusik schreibt. 9 Die Komponisten der Gegenwart, sagt er, sollten ihr Arbeitsgebiet beträchtlich ausweiten, sonst würden wir Gefahr laufen, dass die Musik zu einem noch unbedeutenderen Randphänomen verkomme, als sie es jetzt schon ist.
Zu einer Marginalisierung des zeitgenössischen Komponierens kommt es auch, wenn Komponisten die Vorstellung von einer „musikalischen Botschaft“ im „Kult des musikalischen Materials“ zu sublimieren trachten. Diese Komponisten koppeln die gesellschaftliche Verantwortung des Komponisten an Stil, Material und Technik. So behaupten sie, das gesellschaftliche Bewusstsein des Komponisten stünde im direkten Verhältnis zum „fortgeschrittenen“ – „avancierten“ – Material und zu den Kompositionstechniken, über die er – oder sie – verfügt. Anders ausgedrückt: Wenn Musik jeweils „aktuelles“ Material oder „aktuelle“ Kompositionstechniken verwende, dann sei sie automatisch „sozialbewusst“, und keine weitere gesellschaftliche Dimension sei dann mehr nötig. Der Komponist Paavo Heininen (*1938) drückt diese Auffassung so aus:
Stil ist kein Wertmaßstab für eine Komposition – aber es würde einem wahrhaft jämmerlichen Bankrott kritischen Bewusstseins gleichkommen, wollte man behaupten, dass schlichtweg alles, was im heurigen Jahr so komponiert wird, zeitgenössische Musik sei. […] Andererseits ist klar, dass die Entscheidung für einen bestimmten Stil von überragender Bedeutung ist, eine Äußerung, die entweder die conditio humana in unserer Zeit anspricht – und also einen Beitrag zum Leben leistet – oder die Antwort eines ´Ja-Sagers´ sein kann – oder sie kann das Problem überhaupt umgehen. 10
Luigi Nono, der in seiner Musik gesellschaftlichen Themen großes Gewicht gab, hat ebenso den Gebrauch avancierten Materials und avancierter Techniken verteidigt. Seine Feststellung, „dass die Musik wie die von Schostakowitsch keine Zukunft hat und damit keine Funktion, weil sie technisch so armselig ist und am Potential der heutigen Möglichkeiten vorbeigeht,“ beruht auf dem Glauben, dass Komponisten die Pflicht hätten, das jeweils vorhandene Potential des musikalischen Materials voll auszuschöpfen und zu maximieren. 11 Nono verunglimpft die Musik von Schostakowitsch als „sozialistischer Realismus im üblen Sinn — alte Formen, die man mit neuem Inhalt zu füllen versucht, falsch verstandene Volkstümlichkeit.“ 12
Rückschritt durch Fortschritt
Luigi Nonos Prophezeiung aus dem Jahre 1971 über die Zukunft der Musik von Schostakowitsch hat sich als völlig falsch erwiesen. Die Werke von Schostakowitsch haben sich als höchst lebensfähig herausgestellt, sein Ansehen zeigt keinerlei Anzeichen von Verfall. Nonos Musik dagegen ist von den Konzertprogrammen fast völlig verschwunden – sie wird fast ausschließlich bei Festivals zeitgenössischer Musik gespielt.
Jene Komponisten, die sich auf neues Material und neue Techniken konzentrierten, erklärten ihren mangelnden Publikumserfolg lange Zeit mit dem Hinweis, dass die besten Komponisten immer Pioniere gewesen seien und dass der Publikumsgeschmack der musikalischen Innovation immer einige Jahrzehnte hinterher hinke. Noch in den 60er Jahren war optimistisch die Rede davon, wie, und dass, sich die komplexe, „schwierige“ zeitgenössische Musik letztendlich ihren Platz im Standardkonzertrepertoire erobern würde. Jahrzehnte sind vergangen, aber geschehen ist nichts dergleichen. Das Publikum hat sich in der Tat an die Avantgarde gewöhnt, aber die als Avantgarde beschriebene Musik schockiert niemanden mehr, und schon gar nicht vermag sie irgend jemanden zutiefst zu bewegen oder zu erregen.
Ist also das breite Publikum unbelehrbar dumm, blöde und konservativ – selbst nach Jahren des Dauerbombardements? Oder trägt etwa die konservative Natur der musikalischen Institutionen Schuld? Sollten Komponisten umdenken? Haben Komponisten wie Arvo Pärt, Wladimir Martinow, Valentin Silvestrow oder John Tavener Recht, wenn sie sagen, dass an der Ästhetik der Moderne, die Werte wie Material und Technik über alles stellt, etwas von Grund auf falsch sei?
Ich glaube, wir kommen einer Beantwortung dieser Fragen näher, wenn wir unser Verhältnis zum Fortschrittsbegriff und dessen zentrale Rolle in der Legitimierung des im Herzen des Modernismus anzutreffenden Materialkultes definieren. In einer Diskussion über den Begriff des technischen und künstlerischen Fortschrittes argumentierte der italienische Komponist Paolo Emilio Carapezza, dass “[…] den technologischen Fortschritten […] keine Fortschritte der wesentlich menschlichen Fähigkeiten entsprechen […]; Fortschritte, die in mancher Hinsicht geradezu verblüffend sind, bringen oft verhängnisvolle Rückschritte mit sich.“ 13 Der deutsche Schriftsteller und Kulturphilosoph Walter Benjamin meint, schon die Vorstellung eines Fortschrittes berge in sich die Hinnahme der Katastrophe:
Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Dass es ´so weiter’ geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene. Strindbergs Gedanke: die Hölle ist nichts, was uns bevorstünde — sondern dieses Leben hier. 14
Wir könnten eine Reihe von Beispielen geben, wo Fortschritt zu Rückschritt oder gar in die Katastrophe geführt hat. Technische und wirtschaftliche Entwicklungen haben im Westen zu einem noch nie da gewesenen Lebensstandard geführt, der Preis dafür war jedoch katastrophal: Umweltverschmutzung, ja Umweltzerstörung und, in den letzten Jahrzehnten, wachsende soziale Ungleichheit. Neue Techniken haben uns sogar die Mittel für den kollektiven Selbstmord der Menschheit zur Verfügung gestellt.
Auch in der Musik lassen sich viele Beispiele dafür finden, dass technischer Fortschritt auf einem Gebiet Rückschritt auf einem anderen bedeutet. Im frühen 18. Jahrhundert begann, auch unter dem Einfluss von J.S. Bach, die frei schwebende durch die gleich schwebende – wohltemperierte – Stimmung ersetzt zu werden. Ein Ergebnis war, dass Klangunterschiede zwischen den Tonarten aufgehoben wurden, was wiederum das Modulationspotential enorm erweiterte. Das hatte seinerseits zur Folge, dass Musik für Tasteninstrumente an Klangfarben beträchtlich ärmer wurde, weil die Tonarten ihren ganz eigentümlichen Charakter verloren: Nun gab es keine reinen oder unreinen Stimmungen mehr, alle Tonarten klangen gleich, sie waren „temperiert“ – nicht ganz unrein, aber auch nicht ganz rein.
Schönbergs Entwicklung der 12-Tontechnik hatte gleichfalls Vor- als auch Nachteile. Schönberg wollte größtmögliche Gleichheit der Töne der chromatischen Skala erreichen – was die zahllosen Bedeutungsnuancen zerstörte, die sich über Jahrhunderte in der tonalen Tradition angesammelt hatten. Die Weiterentwicklung der Dodekaphonie, die serielle Musik, erstrebte und erzielte völlige Durchorganisation des Rhythmus, der Tonfarbe und der Dynamik. In ihrer radikalsten Ausformung reduzierte sie zudem die Gestaltungsmöglichkeiten des Interpreten praktisch auf Null. Wenn die Kontrolle des Komponisten, wie so oft in zeitgenössischer Musik, sich auf die winzigsten Details der Komposition beschränkt, dann fällt dem Interpreten nur noch die Rolle zu, die Musik mit maschinengleicher Präzision zu reproduzieren – als hätten viele zeitgenössische Komponisten Angst vor dem, was ein Musiker an Eigenem in der Aufführung beisteuert. Um nur einen Namen zu nennen: Helmut Lachenmann hat einmal gesagt, man soll seine Musik keinesfalls interpretieren – man soll sie nur spielen. 15
Unter anderem aus diesem Grund hat der Komponist und Musiktheoretiker Konrad Böhmer einen der Gründungsväter der seriellen Musik, Pierre Boulez, eines diktatorischen Zugangs zur Musik beschuldigt. Der ästhetische Anspruch und Zugang, den Boulez vertritt, ist für Böhmer längst überholt und ohne weiteren Belang, er beschreibt die Musikphilosophie von Boulez als „Musikdenken von vorgestern oder Le Le Maître sans Marteau.“ 16
Die Konservative Avantgarde und die Zeitkoordinaten des Komponierens
Der Vorwurf des verknöcherten Konservativismus wurde auch gegen Brian Ferneyhough erhoben, der einige der am strengst gebauten und komplexesten Partituren der zeitgenössischen westlichen Musik geschaffen hat. Schon 1985 schrieb Peter Franklin, dass die Musik von Brian Ferneyhough alle Symptome „einer Synthese eines ultimativen non plus ultra des orthodoxesten Avantgarde-Konservatismus“ 17 zeige.
Die extreme Komplexität der musikalischen Nachkriegs-Moderne hat bei Komponisten Reaktionen ausgelöst, am auffallendsten wohl die Wende zur Unbestimmtheit und zum musikalischen Minimalismus. Wie der Amerikaner John Adams sagt:
Die Zeit war einfach reif in der Musik für die Art von Revolution, welche der Minimalismus auslöste. Das musste einfach passieren. Wenn Sie eine Partitur von Ferneyhough oder Boulez anschauen, dann bemerken Sie rasch, dass man diese Art von Komplexität nicht weiter treiben kann. Dagegen musste es einfach heftigen Widerstand geben. 18
Und trotzdem: So mancher modernistische Komponist besteht darauf, dass, so wie wir die Uhr nicht zurückstellen können, es für die Musik der Gegenwart kein Zurück zu so etwas wie einer neuen Einfachheit oder zur Wiederverwertung alter Werkzeuge geben könne. Pierre Boulez tut dies als kompositorische Nostalgie verächtlich ab:
Für mich sind diese Leute müde; sie haben Angst vor Komplikationen, vor Komplexität, sie sagen, wir können nicht mit dem Publikum kommunizieren, weil die Musik zu komplex ist. Na gut, was machen sie also? Sie gehen zurück. Für mich ist das unmöglich, weil auch Geschichte niemals zurück geht. Und wenn ich da Leute sehe, die einen Pseudo-Mahler schreiben […], na ja, also für mich gibt´s genug Mahler, da brauche ich keinen Pseudo-Mahler. Die Postmoderne vergleiche ich immer mit dem Neo-Klassizismus der Zwischenkriegszeit. Was ist denn davon übrig geblieben? Absolut nichts. 19
Die Berechtigung, die Boulez für seine Ästhetik bemüht, hängt an zwei schwachen Prämissen: seiner Ablehnung der Postmoderne und des Neoklassizismus bzw. an seinem unerschütterlichen Glauben, das an sich Zeitgenössische offenbare sich in seiner eigenen musikalischen Sprache. Boulez meint, der Komponist schließe sich nicht einer einzelnen Stilrichtung an, sondern äußere sich „gemäß den Koordinaten seiner Zeit.“ Er hat das einmal so formuliert:
Für mich hat die Moderne keine Zukunft, für mich hat die Postmoderne keine Zukunft. Man ist nicht „modern“ – man äußert sich bloß gemäß den Koordinaten seiner Zeit; und das bedeutet nicht modern sein, das heißt das sein, was man ist. Für mich sind alle Arten von Bezügen wertlos. Wenn ich ich selbst sein möchte, dann brauche ich keine Bezüge, ich möchte ich selbst sein. Punkt. Ich sehe keinen Gewinn darin, in ein verlorenes Paradies zurückzukehren. Für mich gibt es keinen Verlust – absolut keinen. 20
Wie Einojuhani Rautavaara (*1928) formuliert, mindern Äußerungen wie diese den Wert und die Bedeutung zeitgenössischer Musik eher, als dass sie diesen erhöhen. Rautavaara schreibt:
Ich glaube nicht so recht an die „Forderungen der Zeit“, von denen manche sagen, wir müssten sie erfüllen. Die Zeit fordert überhaupt nichts, sie lässt uns so sein, wie wir wollen – einmal vorausgesetzt, man hat sich gefunden. Menschen ja, Menschen stellen Forderungen, und diese Forderungen, die sind tatsächlich zeitbedingt. Wenn man sich entscheidet, „mit der Zeit zu gehen“, dann ist man, per definitionem, verurteilt, hinter der Zeit zurück zu bleiben, von heute an bis zum Jüngsten Tag. […] So schnell kann man gar nicht schauen, schon sind aus den radikalsten Modernisten die rabiatesten Konservativen geworden. […] Es nützt nichts, immer hochnäsig zu bleiben und zu sagen: Wenn meine Kunst nicht mit der Zeit in Einklang steht, dann ist das die Schuld der Zeit. Da würde ich es schon lieber haben, wenn meine Musik zeitlos wäre, als dass sie im Gleichklang wäre mit der Zeit. 21
Fortschritt als Form der Geschichtsverleugnung und Geschichtslosigkeit
Gibt es also überhaupt einen Fortschritt – einen objektiv erkenn- und definierbaren? Wenn ja, dann hängt Fortschritt mit Sicherheit nicht von der Wahl der Materialien oder Techniken ab. Oder in der Formulierung von Theodor W. Adorno: „Fortschritte der Materialbeherrschung in der Kunst sind keineswegs unmittelbar eins mit dem Fortschritt der Kunst selber.“ 22 Franz Kafka drückte den selben Gedanken so aus: „An Fortschritt glauben heißt nicht glauben, dass ein Fortschritt schon geschehen ist.“ 23
Die Ansicht, dass sich Fortschritt vor allem in der Neuheit des Materials oder der Sprache manifestiere, leugnet folglich den Wert von allem, was alt ist. Ein Komponist wird sich vielleicht entscheiden, Tonalität, Dreiklänge, Melodie und klar definierbares Metrum aufzugeben, eine Entscheidung, die seine Musik mit Sicherheit anders klingen lassen wird als alles, was vor 100 Jahren so geschrieben wurde. Indem das, was Tradition eigentlich ausmacht, geleugnet wird, ist Musik ohne Geschichte entstanden – geschichtslose Musik. Aber bedeutet das denn, dass diese Musik fortschrittlicher geworden ist und deshalb zeitlos? Ich habe schon gezeigt, dass jeder Fortschritt in kompositionstechnischer Hinsicht auch immer bis zu einem gewissen Grad zu einem Rückschritt geführt hat. Die Fortschrittsdoktrin gründet sich zudem auf Verdrängung, auf Verleugnung und Verlust von Geschichte. Auf Kunst übertragen, schmeckt das stark nach Selbsttäuschung.
Der Komponist und Dirigent Hans Zender stellt einen interessanten Bezug zwischen Fortschritt, Rückschritt und Konservativismus her. Er zieht eine Parallele zwischen dem Fortschrittsglauben im Gesellschaftlichen einerseits (also etwa den Glauben an anhaltendes Wirtschaftswachstum und ein immer stärker durchtechnisiertes Leben) und im Bereich der Kunst andererseits. „Paradoxer Weise“, so sagt er, „führt einen die Suche nach dem Fortschritt in der Kunst zum Konservativen, und man kann nicht hindern, dass die eigene Produktion einen Zitat-Charakter erhält — gerade das, was man am meisten verabscheut: sie wird zum Zitat der fünfziger Jahre.“ 24
Der Glaube, dass musikalischer Fortschritt größeren ästhetischen Wert mit sich bringe, wird auf den Kopf gestellt, und das gilt auch für andere Künste. Im 20. Jahrhundert sind wesentlich mehr literarische Werke veröffentlicht worden als je zuvor, aber die besten Romane des 20. Jahrhunderts wird man schwerlich als objektiv besser bezeichnen können als die großen Werke früherer Jahrhunderte. 25 So ist auch die abstrakte Kunst des 20. Jahrhunderts gewiss anders, aber in keiner Weise besser als mimetische Kunst. Und ich habe noch niemanden behaupten hören, moderne Stahl-Glas-Hochhausarchitektur sei von größerem architektonischen Wert als gotische Kathedralen. Warum sollte man dann also gerade Avantgarde-Komponisten als weiter entwickelt als ihre Kollegen aus früheren Jahrhunderten betrachten?
Zeitgenössische Künstler sind um nichts weniger talentiert oder intelligent als ihre Vorgänger. Komponisten mit der Begabung und vom Rang eines Bach oder Mozart hat es auch nach ihnen gegeben – und es gibt sie vermutlich auch heute. Warum also war die Musik der heutigen Bachs und Mozarts nicht imstande, die Originale zu verdrängen?
Ein Grund ist die Arroganz der modernistischen Kunstphilosophie und ihre Haltung zur Überlieferung und zu den Leistungen der Vergangenheit. Etwas Wertvolles ist im Namen des Fortschritts aufgegeben worden – genau das, was die Musik von Bach und Mozart zeitlos und universell macht.
Ein Problem der Rezeption moderner Musik ist auch die Haltung vieler moderner Komponisten, die ich narzisstischen Absolutismus nenne. Diese Einstellung verlangt sowohl von Musikern als auch vom Publikum, sich bedingungslos der künstlerischen Vision des Komponisten zu unterwerfen, der sich davor drückt, was ich für seine oberste Verantwortung erachte: jener den Musikern und den Hörern gegenüber. Diesem narzisstischen Absolutismus diametral gegenüber steht, was ich als willfährigen Pragmatismus bezeichne. In seiner reinsten Form findet er sich in der Popmusik, wo alle musikalischen Überlegungen dem unterstellten jeweils aktuellen Publikumsgeschmack unterworfen werden. Narzisstischer Absolutismus in der Musik (und in anderen Künsten) ist ein vergleichsweise junges Phänomen; zu bemerken ist es erst Mitte des 19. Jahrhunderts (bei Wagner etwa), als sich die verbesserten gesellschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Künstler auszuwirken begannen. 26 Im 20. Jahrhundert ist der narzisstische Absolutismus durch das Entstehen von Institutionen für zeitgenössische Musik gefördert worden; sie haben sich als geschützte Werkstätten für Musik erwiesen, die es sonst kaum aufs Konzertpodium geschafft hätte. Weder extremer narzisstischer Absolutismus noch willfähriger Pragmatismus haben viel Kunst von bleibendem Wert hervorgebracht. Musik, die auch nur eine Spur von Substanz hatte, wusste zu allen Zeiten beide Haltungen zu verbinden. 27 Der Wunsch nach Bewahrung künstlerischer Individualität und Integrität sollte nicht die Anliegen und Bedürfnisse der Mitmenschen ausschließen.
Der dritte Faktor ist die gesellschaftliche Entwicklung der modernen Welt. Extremer Materialismus und Beherrschung durch Technik unterminieren, zumindest im Westen, Wertschätzung und gesellschaftliche Bedeutung der Kunst. Der Zeitgeist, oder wie immer das nennen mag, ist den schöpferischen Künste nicht eben zuträglich.
Die Spanne der Tradition
Der zeitgenössischen Musik ist die Geschichte – historia – abhanden gekommen. Wie ich schon bei Gelegenheit der Überlegungen John Taveners erläutert habe, hat die europäische Kunstmusik die Homogenität, die doch zu ihrem Wesen gehörte, eingebüßt. Ihr Fundament war eine musikalische Sprache, die aus dem sich im Zuge der Christianisierung über Westeuropa ausbreitenden Greogorianischen Choral abgeleitet wurde. (Der Gegenpol zum Gregorianischen war der Orthodoxe Kirchengesang.) Die Erfindung der Notenschrift in Westeuropa im 11. Jahrhundert leitete eine Entwicklung ein, welche die Aufzeichnung und Weitergabe musikalischer Traditionen ermöglichte, die nun nicht mehr ausschließlich mündlich waren. Die Notenschrift begünstigte auch eine Entwicklung auf vielen Gebieten , wie zum Beispiel jene, die zur Zeit der Blüte der Polyphonie in der Niederländischen Schule entstand. Bei der Entwicklung der Instrumentalmusik nahm Italien eine führende Rolle ein und auch in Frankreich erreichte sie einen hohen Stand. Nach der Reformation begann protestantische Musik von der katholischen Sakralmusik abzuweichen und kulminierte schließlich in der Musik eines J.S. Bach. Trotz dieser stilistischen Abweichungen blieb jedoch der Austausch zwischen den Ländern lebendig. Folglich blieben nationale Unterschiede in der Musik gering.
Im 18. und 19. Jahrhundert gewann dann die Musikkultur der deutschsprachigen Gebiete die Oberhand. Diese Entwicklung hat bis auf den heutigen Tag vor allem auf die Instrumentalmusik einen starken Einfluss ausgeübt. Komponisten aus der deutsch-österreichischen Tradition entwickelten das Symphonieorchester, dessen Instrumentarium in ganz Europa Standard wurde. 28 Diese Tradition ist besonders in den nordeuropäischen Ländern lebendig geblieben. So hat etwa die Kunstmusik Finnlands und Schwedens ihre Wurzeln in der Kunstmusik Deutschlands. Dem nach Helsinki ausgewanderten deutschstämmigen Fredrik Pacius (1809-1891) wurde der Ehrentitel „Vater der Finnischen Musik“ verliehen. Ja selbst viele nationale Stile europäischer Kunstmusik lassen sich auf die deutsch-österreichische Musiktradition zurückführen. Ein gutes Beispiel ist der „finnische“ Stil von Jean Sibelius (1865-1957), dessen früheste Kompositionen mit der von Pacius vertretenen Tradition verbunden sind. Sibelius führte seine Studien in Berlin und Wien weiter, zu einer Zeit, als er die umgangssprachlich als Kalevala-Musik bezeichnete, älteste erhaltene Schicht finnischer Volksmusik für sich entdeckte (Kalevala ist das finnische Nationalepos). In seiner Kullervo-Sinfonie (1890-1891) setzte Sibelius melodische Charakteristika der Kalevala-Musik ein. In seiner Entwicklung zu einer eigenständigen musikalischen Sprache wurde er auch von russischer Musik beeinflusst, besonders jener Tschaikowskys, dessen „russischer“ Stil seinerseits in der deutsch-österreichischen Tradition wurzelt. Aber es war gerade zu dieser Zeit, in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts, dass sich Sibelius bewusst von der mitteleuropäischen Spätromantik abzusetzen trachtete, um eine neue – finnische – Tradition zu begründen.
Der Personalstil von Sibelius beruhte also auf der mit Elementen finnischer Volks- und russischer Konzertmusik angereicherten deutsch-österreichischen Tradition und der höchst individuellen Persönlichkeit des Komponisten, was zu einer ausdrucksstarken, innovativen und einflussreichen Kompositionsauffassung führte. Es war diese Mischung, die man später außerhalb Finnlands als „typisch finnisch“ empfinden sollte.
Aber, so könnte man fragen, ist die Musik von Sibelius tatsächlich so sehr finnisch? Oder ist sie nicht vielmehr der durch und durch unverwechselbare und unnachahmliche Stil eines großen Komponisten? Auch Leevi Madetoja (1887-1947), um ein anderes Beispiel aus der finnischen Musik heranzuziehen, wurde in den deutsch-österreichischen Disziplinen des Kontrapunktes und der Harmonielehre ausgebildet, auch er nahm gewisse Einflüsse aus der russischen Musik auf. Anders als Sibelius integrierte Madetoja Elemente jüngerer finnischer Volksmusik (aus der westfinnischen Provinz Ostbottnien) und Elemente zeitgenössischer französischer Musik. Wenn man all dem Madetojas eigene, zur Melancholie neigende, Persönlichkeit hinzufügt, dann ist das Ergebnis ein Personalstil, der schwere Expressivität mit leichter Textur verbindet – auch dies ein Stil, den man oft als „typisch finnisch“ bezeichnet hat.
Modernismus – und da besonders seine Betonung des Fortschrittes und seine Fetischisierung des musikalischen Materials – markiert eine radikale Abkehr von der Tradition stilistischer, auf gemeinsamen Wurzeln fußender, Kontinuität. Natürlich ist es möglich, eine direkte Verbindung von der „ewigen Melodie“ Wagners über die „Emanzipation der Dissonanz“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis Schönbergs „12-Tonkomposition“ und Anton Weberns Reihentechnik herzustellen. So erhalten wir das Konstrukt einer „stetigen“ stilistischen Evolution, beginnend mit der österreichisch-deutschen Tradition von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Modernismus post-Webernscher – post-serieller – Komponisten wie etwa Boulez. Jedoch: Vertrauen in die Gültigkeit einer solcher Chronologie hängt an einem willentlichen Glaubensakt – am Glauben an den inhärenten musikalischen Wert und an die historische Authentizität von Schönbergs Dodekaphonie. Wie schon erläutert, haben meiner Meinung nach die Ausweitungen und Konsequenzen dieser Kompositionstechnik schlussendlich die subtilen und kostbaren Nuancen musikalischer Bedeutung zerstört, die sich über Jahrhunderte ausgeprägt und angesammelt hatten. Die Konstruktion dieser Linie stilistischer Entwicklung führt also bloß zu einer vorgetäuschten Tradition.
Aufgaben eines zeitgenössischen Komponisten
Wie können also Komponisten auf das reagieren, was Tavener eine „kaputte Kultur am Ende einer Epoche“ nennt? Wie soll man Rainer Riehns Frage beantworten, ob es „heute und in diesem Zeitalter überhaupt noch sinnvoll ist“ zu komponieren? Ich habe in diesem *Aufsatz/*Vortrag das Scheitern der Moderne nachzuzeichnen versucht, indem ich gezeigt habe, wie das, was man musikalischen Fortschritt nennt, einen Zustand des Rückschrittes herbeigeführt hat, in dem kompositorischer Wert auf dem Altar des musikalischen Materials geopfert worden ist. Berührt habe ich dabei auch die von John Cage gegebene Antwort auf die Krise der musikalischen Moderne – seine Rückkehr zum „absoluten Nullpunkt“, dort wo musikalische Struktur und traditionelle Notationen musikalischen Inhalts und Gehalts aufgrund der Natur seiner musikalischen Ästhetik negiert werden. Die Lösung, die Cage vorschlägt, ist zwar als Denkanstoß brauchbar, ist aber aus meiner Perspektive im Kontext der Musikentwicklung des Westens nicht konstruktiv. Cage führt uns vielleicht zum Anfang – zum Schweigen und zur Stille; aber das Ziel der Musik kann niemals die Leere sein. Im Gegenteil: Wenn die zeitgenössische Musik noch eine Hoffnung hat, dann muss sich der Komponist fünf Aufgaben stellen, wobei jede für sich einen anderen Aspekt des gegenwärtigen rückschrittlichen Zustandes musikalischer Werte anspricht.
1) Die Wiederentdeckung des Publikums: Hörern glaubhaft machen, dass Musik Bedeutung hat, die Gefühle der Hörer ansprechen und sich ihrer Bedürfnisse annehmen. Wir müssen uns genauer damit beschäftigen, was der zeitgenössischen Musik fehlt und was das Publikum in ihr sucht – und nicht findet. Zwei Aspekte, die Hörer ansprechen sind Stille und „Sakralität.“ Unter „Sakralität“ verstehe ich Augenblicke der Transzendenz, *[Augenblicke des „Durchbruchs“ (wie das Mahler genannt hat)], die sich sowohl in weltlicher als auch sakraler Musik finden. Im Unterschied zu Tavener finde ich solche „Zonen des Heiligen“ auch in nicht-sakralen Kompositionen, etwa im Spätwerk Beethovens. Paradoxer Weise fällt es mir jedoch schwer, ähnliche Augenblicke der universellen geheimnisvollen Transzendenz in Taveners sakralen Werken zu finden.
Einige zeitgenössische Komponisten haben den Versuch unternommen, Musik wieder mit deren religiösen Wurzeln zu verbinden. Die wichtigsten Werke Arvo Pärts sind religiöse Werke, in denen er die Tonalität wiederherstellt und eine eigene Kompositionstechnik verwendet, die Tintinnabuli-Technik. Wladimir Martinows Mysterienspiel Apocalypsis für Knabenchor, Männerchor und Solisten verbindet die Tradition des orthodoxen Kirchengesanges mit der Polyphonie des 16. Jahrhunderts. John Tavener hat in seiner Musik byzantinischen Gesang und Sufi-Musik erforscht, weil ihn, wie er sagt, „fast nichts in der gesamten westlichen Musik darin bestärkt, mit dem weiterzumachen, was ich mache.“ 29 Es gibt ohne Zweifel einen ungeheuren Bedarf an Musik, die in die ferne Vergangenheit zurückreicht, weil sie Hörern Gelegenheit bietet, Abstand vom hektischen Lebensrhythmus zu nehmen bzw. die Erfahrung des Mythischen, Geheimnisvollen und des Heiligen zu machen. Jedoch ignoriert meiner Ansicht nach dieser Zugang zu viel an Brauchbarem und Wertvollem der westlichen Musik, nicht zuletzt den gesamten Bereich der Instrumentalmusik. Die Versuche Taveners und Martinows, so mutig sie auch sein mögen, zeigen, dass sie keinerlei Hoffnung sehen, die künstlerische und gesellschaftliche Situation der Welt von heute mit Mitteln ihrer Zeit zu verbessern. Ich glaube, dass die Erfahrung des Heiligen und des Geheimnisvollen möglich ist, ohne sich auf die ferne Vergangenheit zu beschränken, wie etwa Sofia Gubaidulina das bewiesen hat.
2) Die Suche nach einem Ausweg aus dem hermetisch-technokratischen, modernistischen (oder, wie bei Karl Heinz Stockhausen) auch quasi-religiösen, Solipsismus der Avantgarde. Der Komponist muss der Musik ihr Geschichtsbewusstsein, ihren Sinn für Tradition und ihre Verbindung zur Vergangenheit wieder geben. Der finnische Komponist Erkki Salmenhaara (1941 – 2002) glaubte, dass dies erreicht werden könnte durch Zitate und Anspielungen oder durch die Rückkehr zur Tonalität. Wie er so treffend formuliert: “Nachdem wir Jahrzehnte lang fieberhaft nach dem Neuen und noch nie Dagewesenen hinterher gejagt waren, gab es nur eines, das neu war: das Alte.“ 30 Gleichsam als sein künstlerisches Credo verkündete er einmal:
Nur wenn wir die Tonalität wieder anerkennen – und ich verstehe darunter nicht bestimmte historische Stile – kann die westliche Musik den unerschöpfliche Reichtum musikalischer Bedeutung wiedererlangen. Das bedeutet nicht eine Rückkehr zur Vergangenheit, sondern den Aufbau einer Zukunft mit Materialien, welche die Vergangenheit bereitstellt. 31
3) Stärkung der gesellschaftlichen Dimension der Musik. Es überrascht, dass viele Komponisten diese Dimension ihrer Musik leugnen. Steve Reich glaubt nicht, dass Kunst eine politische Auswirkung hat. „(Brecht-Weills) Dreigroschenoper konnte in keiner Weise die Nazis verhindern, (Picassos) Guernica ist ein Meisterwerk, aber Franco, Hitler oder Mussolini hat es nicht aufgehalten.“ 32 Einojuhani Rautavaara ist so ziemlich derselben Auffassung. In seinem autobiographischen Omakuva (Selbstbildnis) schreibt er: „Ich habe Politik niemals Aufmerksamkeit geschenkt. Welchen Zweck könnte sie in der Kunst erfüllen?“ 33 Aber die Leugnung von Politik ist selbst ein politischer Akt; der Künstler billigt stillschweigend alles, was der Fall ist. Um zu verstehen, welche gesellschaftliche Auswirkung Künstler haben können, müssen wir nur an das Deutschland Hitlers oder an die Sowjetunion Stalins denken – Künstler wurden isoliert, inhaftiert oder in die Verbannung geschickt.
Die Mehrheit der großen Komponisten von Beethoven bis Hans-Werner Henze oder John Adams ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst gewesen und hat jeweils auf ihre Weise zu aktuellen Ereignissen Stellung bezogen. Ein Beispiel dafür ist auch Sibelius, der mit seiner Tondichtung Finlandia und der 2. Sinfonie seinen Zeitgenossen eine repräsentative Vision von der Unabhängigkeit und Freiheit Finnlands von russischer Vorherrschaft gab. Die Musik von Sibelius hatte eine beflügelnde Wirkung auf das finnische Nationalbewusstsein; und bis zum heutigen Tag ist er ein Volksheld geblieben. Schostakowitsch wurde in ähnlicher Weise in seiner Heimat als Stimme des gesellschaftlichen Gewissens gehört. Richard Strauss hingegen schwieg zu den Vorgängen in Nazi-Deutschland, eine Reaktion, die in den 30er Jahren in seinem künstlerischen Schaffen zu ethisch-moralischem Bankrott führte. Zum Zusammenhang von musikalischer Sprache und gesellschaftlicher Verantwortung stellt der deutsche Gegenwartskomponist Manfred Trohjan kurz und bündig fest: „Ich denke schon, dass der ’Zeitgeist’ ein sehr wichtiger Aspekt dabei ist, und ich beziehe mich dabei auf das Berührtsein von dem, was mich umgibt.“ 34
4) Ausweitung des Arbeitsgebietes und Entwicklung von Strategien, den Elfenbeinturm abzutragen, wie Harri Wessman es ausgedrückt hat. Auch hier können wir von den Meistern der Vergangenheit lernen. Sibelius schrieb Musik auf verschiedensten Ebenen: „ernste“ Instrumental- und Vokalmusik, leichtere Salon- und Unterhaltungsmusik, Gelegenheitsmusik für diverse Theaterarbeiten und andere Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens. Er war auch als Dirigent aktiv. Diese Art von Arbeit macht flexibler, da sie den Komponisten zwingt, seinen Stil dem jeweiligen Zweck anzupassen. Man muss das Wagnis eingehen, einfach und naiv zu sein, wenn man pädagogische Musik für Kinder schreibt; und wenn man für den Tanz schreibt, dann kann man sich nicht damit zufrieden geben, ein bestimmtes modernistisches Kriterium zu erfüllen. Wie hat doch Jakob Ullmann gesagt: „Die Gefahr, für unzeitgemäß zu gelten, ist die geringste der Gefahren.“ 35
5) Der Komponist muss fähig sein, der Musik sinnvollen und tiefer gehenden emotionalen Gehalt wiederzugeben. Warum gehen Menschen denn überhaupt ins Konzert? Vielleicht wollen sie von ihrem Alltagsleben Abstand gewinnen und Schönheit erfahren; vielleicht sind sie verzweifelt und suchen Trost in der Musik; vielleicht sind sie glücklich verliebt und wollen diese Gefühle in der Musik wiedererkennen; sie gehen vielleicht in ein Konzert, um neue Kräfte zu gewinnen; oder sie erwarten von der Musik so etwas wie Dramatik.
Im Schaffen jedes Komponisten sollte es, so meine ich, Werke geben, die all diese und ähnliche Erwartungen erfüllen. Fragen des Stils oder der Technik sind zweitrangig – anything goes — alles ist angemessen, solange die Musik diese emotionalen Ziele erfüllt.
In unserer Welt, in der auf allen Gebieten technische und materialistische Werte überbetont werden, gibt es ein dringendes Bedürfnis für eine neue, eine humanere Kunst. In den Worten des Philosophen Edmund Husserl:
Bloße Tatsachenwissenschaften machen bloße Tatsachenmenschen. In unserer Lebensnot … hat diese Wissenschaft uns nichts zu sagen. Gerade die Fragen schließt sie prinzipiell aus, die für den in unseren unseligen Zeiten den schicksalsvollsten Umwälzungen preisgegebenen Menschen die brennenden sind: die Fragen nach Sinn oder Sinnlosigkeit dieses ganzen menschlichen Daseins. 36
Der Artikel wurde aus dem englischen übersetzt von Dr. Peter Kislinger.
Kalevi Aho
– von Anne Weller
Kalevi Aho, einer der führenden finnischen Komponisten von heute, wurde am 9. März 1949 in Forssa, Südfinnland, geboren. Er studierte bei Einojuhani Rautavaara an der Sibelius-Akademie in Helsinki und in Boris Blachers Kompositionsklasse in Westberlin. 1974-88 war er Dozent für Musikwissenschaft an der Helsinkier Universität; 1988-93 war er Professor für Komposition an der Sibelius-Akademie, und seit dem Herbst 1993 ist er freischaffender Komponist.
In den Werken, durch welche sein Durchbruch erfolgte, der ersten Symphonie (1969) und dem dritten Streichquartett (1971), setzt Aho Schostakowitschs Tradition fort, aber selbst in diesen Stücken kam er zu sehr originellen formal/dramaturgischen Lösungen. In der viersätzigen ersten Symphonie werden wir somit von der „existenten“ Wirklichkeit des Anfangs allmächlich immer weiter weg geführt, bis wir zuletzt den seltsamen, pseudobarocken Stil des dritten Satzes erreichen, und im letzten Satz können wir schließlich die Probleme der „wirklichen“ Realität direkt zu Gesicht bekommen. Der strukturelle Ausgangspunkt der einsätzigen zweiten Symphonie (1970/95) ist eine Tripelfuge. In der viersätzigen dritten Symphonie (1971/73) ist die dramatische Spannung andersartig, sie ist ein Konflikt zwischen einem Individuum (Soloviolin) und den Klangblöcken des Orchesters; es gibt einen ähnlichen Konflikt im pessimistischen Cellokonzert (1983-84). Der Höhepunkt von Ahos erster Periode (etwa 1969-74) ist die dreisätzige vierte Symphonie (1972-73), wo nach den Katastrophen des zweiten Satzes eine geistige Befreiung folgt.
Die fünfte Symphonie (1975-76) ist ein Wendepunkt in Ahos Schaffen. Strukturell gesehen ist dieses massive Werk extrem kompliziert — anstatt einer Polyphonie zwischen verschiedenen individuellen Instrumentalstimmen hören wir eine Polyphonie andersartiger, unabhängiger Musiken. Die virtuose, farbenprächtige sechste Symphonie (1979-80) beschließt eine sequentielle Entwicklungslinie in Ahos Schaffen; dann konzentrierte sich der Komponist einige Zeit auf Konzerte und Opern.
Ahos erste Oper, Avain (Der Schlüssel, 1977-78, (mit einem Libretto von Juha Mannerkorpi) erzählt von der paranoiden Alienation eines Einwohners einer modernen Großstadt im sozialen Klima von heute. 1982 und 1984 wurde Avain auch von der Hamburgischen Staatsoper aufgeführt. 1985-87 schrieb Aho seine scharf satirische zweite Oper Hyönteiselämää (Aus dem Leben der Insekten), die Elemente von sowohl Komödie als auch Tragödie kombiniert (das vom Komponisten selbst geschriebene Libretto basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Josef und Karel Capek), und zahlreiche stilistische Parolen enthält, sowie spitze Sozialkritik. Die Uraufführung durch die Finnische Nationaloper am 27. September 1996 wurde ein großer Erfolg. Unter Verwendung vom Material aus Hyönteiselämää komponierte Aho 1988 seine siebte Symphonie: die sechssätzige, fröhliche „Insektensymphonie“ wurde als „postmoderne, tragikomische Antisymphonie“ beschrieben. 1990 komponierte Aho Pergamon für vier Sprecher, vier Orchestergruppen und Orgel; der viersprachige Text basiert auf Peter Weiß‘ Roman Die Ästhetik des Widerstands. In der intensiven zweiten Kammersymphonie für Streicher (1991-92) hören wir irgendwie musikalische Töne aus dem innersten, und die virtuose dritte Kammersymphonie (1995-96) wurde für ein solistisches Altsaxophon und Streichorchester komponiert.
1992 wurde Aho vom Symphonieorchester Lahti zum Composer-in-Residence ernannt, und für dieses hervorragende Ensemble hat er seine meisten neueren Orchesterwerke geschrieben. Die lichte, einsätzige Symphonie Nr. 8 (1993) für Orgel und Orchester ist neben der 12. Symphonie Ahos umfassendstes Instrumentalwerk; dieses musikalisch weitreichende Stück ist einer der wichtigsten Grundsteine seines gesamtes Schaffens. Die leichtere Symphonie Nr. 9 (1993-94) ist ebenfalls eine konzertante Symphonie: in diesem Werk, das viele zeitliche Schichten enthält, ist das Soloinstrument eine Posaune. Die großskalige, dramatische zehnte Symphonie (1996) ist eine Art Tribut an die große romantische Tradition symphonischer Musik, und unterscheidet sich völlig von der elften Symphonie für sechs Schlagzeuger und Orchester (1997-98), die von starken, hypnotischen Rhytmen und feinfühligen Klangfarben beherrscht wird. Der Liederzyklus Kiinalaisia lauluja (Chinesische Lieder) für Sopran und Orchester (1997) ist eine Vertonung alter chinesischer Liebespoesie.
Die Oper Salaisuuksien kirja (Buch der Geheimnisse, 1998, mit einem Libretto von Paavo Rintala und Kalevi Aho) ist dritter Teil der Trilogie Aika ja uni (Zeit und Traum), die beim Opernfestspiel von Savonlinna im Juli 2000 produziert wurde; zwei andere Komponisten der Trilogie waren Herman Rechberger und Olli Kortekangas. Die Spannweite vom Buch der Geheimnisse reicht aus Jerusalem und Rom vor 2000 Jahren bis in Paris im 15. Jahrhundert. Ahos neueste Oper Ennen kuin me kaikki olemme hukkuneet (Bevor wir alle ertrunken sind), 1995/1999; Libretto des Komponisten nach dem Hörspiel von Juha Mannerkorpi) ist eine tragische Geschichte von einer Frau, die sich ertränkt. Es geht gleichzeitig um das geistige Ertrinken der Menschen in einer kalten, lieblosen Gesellschaft. Die symphonische Phantasie Syvien vesien juhla (Feier der tiefen Wasser, 1995) ist inhaltlich mit dieser Oper verbunden.
Die zwölfte Symphonie ”Luosto” (2002-03) ist für ein großes Symphonieorchester und Kammereorchester (insgesamt 120 Musiker) komponiert, und dieses monumentale Werk wurde in der Naturakustik am Fuss des Luosto-Fjälls im finnischen Lappland im August 2003 uraufgeführt. Die zweisätzige dreizehnte Symphonie (”Symphonische Charakterbilder” 2003) besteht aus zahlreichen kontrastierenden musikalischen Charakterbildern. Solistische Virtuosität ist ein Kennzeichen der groß angelegten, symphonischen Konzerte vom Aho (Violinkonzert 1981, Cellokonzert 1983-84, 1. Klavierkonzert 1988-89, Tubakonzert, 2000-01, 2. Klavierkonzert (für Klavier und Streichorchester, 2001-02), Flötenkonzert 2002, Konzert für zwei Violoncelli und Orchester 2003, Fagottkonzert 2004, Kontrafagottkonzert 2004-05) und vieler Kammermusikwerke (z.B. das Oboenquintett 1973, Fagottquintett 1977, Quintett für Flöte, Oboe und Streichtrio 1977, die Klaviersonate 1980, Oboensonate 1984-85, das Quintett für Altsaxophon, Fagott, Bratsche, Cello und Kontrabaß 1994, das Quintett für Klarinette und Streichquartett 1998, Quintett für Flöte, Violine, zwei Bratschen und Violoncello, 2000, und die Solos I–VIII für verschiedene Soloinstrumente, 1975-2003).
Zu seinen zahlreichen Arrangements gehören Musorgskijs Lieder und Tänze des Todes für Baß und Orchester (1984), und die Instrumentation des ersten Aktes von Uuno Klamis Ballet Pyörteitä (Wirbel, 1988). 2001 schrieb Aho den dritten Akt für dieses Ballett, der mit dem Titel Symphonische Tänze. Hommage à Uuno Klami im Symhoniekonzert in Lahti uraufgeführt wurde. 1995 komponierte er die verschollenen Parts sämtlicher sechs Streichquartette des ersten finnischen Komponisten von Bedeutung, Erik Tulindberg (1761-1814). 1997 vollendete er Sibelius‘ komplette Karelia-Partitur. Unter seiner umfangreichen schriftlichen Produktion stehen an der ersten Stelle die Abhandlungen Die finnische Musik und das Kalevala (1985) und Einojuhani Rautavaara als Symphoniker (1988), die Aufsatzsammlungen Die Aufgaben des Künstlers in der postmodernen Gesellschaft (1992) und Kunst und Wirklichkeit (1997), sowie Die Musik in Finnland (1996, Zusammenarbeit mit E. Salmenhaara, P. Jalkanen und K. Virtamo).
- Heiniö, Mikko, ‚Olemmeko viimeisiä dinosauruksia?‘ [‚Sind wir die letzten Dinosaurier?‘], Kompositio, 4 (2001), S. 3-5.
- Metzger, Heinz-Klaus und Rainer Riehn, ‚Hat es noch Sinn? Aus einem Gespräch zwischen Mathias Spahlinger, Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn’, in Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, Hg., Was heißt Fortschritt? Musik-Konzepte, 100 (München: Edition Text und Kritik, 1998), 78-82, S. 81-82.
- Andrew Ford, Composer to Composer: Conversations about Contemporary Music (London: Quartet Books, 1993), S. 90.
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- Hannu-Ilari Lampila, ‚“Tärkeitä vain sisäiset muutokset“: Vladimir Martinovin Apokalypsis yhdistää kirkkomusiikkiperinteitä‘ [„Nur innere Veränderungen sind wichtig”. Vladimir Martinovs Apokalypsis kombiniert Kirchenmusiktraditionen’], Helsingin Sanomat, 23. März 2002.
- Ford, Composer to Composer, S. 91.
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- Lauri Kilpiö, ‚Kommenttipuheenvuoro I‘ [‚Kommentar I‘], Kompositio, 4 (2001), S. 10.
- Harri Wessman, ‚Norsunluutornin purkustrategioita‘ [‚Die Entwicklung von Strategien, den Elfenbeinturm abzutragen‘], Kompositio, 4 (2001), S. 9.
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- Hans Zender, ‚Fortschritt und Erinnerungen‘, in Metzger und Riehn, Musikkonzepte, 146-151, S. 146.
- Im Frühjahr 2002 wurden von norwegischen Buchklubs 100 weltberühmte Autoren nach den 100 besten Romanen aller Zeiten befragt. Die meisten Stimmen gingen an Don Quixote von Cervantes. Der Romancier, von dem die meisten Werke genannt wurden, war Dostojewski.
- Vgl. aber auch schon Mozart, Beethoven („Was geht mich seine vermaledeite Fiedel an“); J.G. Fichte und die Theorie der deutschen Romantik im Allgemeinen; E.T.A Hoffman (Kritik an diesem Typus) oder Robert Schumann.
- Auf sehr amüsante Weise hat diese Dichotomie in der finnischen Musik Einojuhani Rautavaara formuliert. Einige junge Komponisten haben ihm zum Vorwurf gemacht, er übe einen schlechten Einfluss aus, seine einzige Ziel seien Kommerz und Anbiederung an den Publikumsgeschmack. Rautavaara jedoch hat seine Haltung eines absoluten Narzissmus sogar verteidigt, indem er insbesondere Wert auf die Feststellung legte, er schreibe in seinem Elfenbeinturm ausschließlich Musik für sich selbst und Musik, die ihm gefalle. Ich persönlich glaube, dass Rautaavara eine vernünftige und gesunde Synthese beider Haltungen gelingt und dass er ein Klassiker der finnischen Musik bleiben wird.
- Dieser Fortschritt jedoch verursachte anderswo Rückschritt und Verlust: Die Palette der Instrumente verringerte sich, ganze Instrumentengruppen wie zu Beispiel die Violen und gewisse Blasinstrumente galten plötzlich als obsolet. Einen ähnlichen Verlust an Vielfalt gab es in der Musik für Tasteninstrumente, als das moderne Klavier Fortepiano, Cembalo und Spinnett verdrängte und ersetzte.
- Ford, Composer to Composer, S. 91.
- Erkki Salmenhaara, Löytöretkiä musiikkiin [Entdeckungsreisen zur Musik] (Helsinki: Gaudeamus, 1991), S. 296.
- Salmenhaara, Löytöretkiä musiikkiin, S. 326.
- Ford, Composer to Composer, S. 67.
- Einojuhani Rautavaara, Omakuva [Selbstbildnis] (Porvoo: WSOY, 1989), S. 196.
- Hans-Klaus Jungenreich, Hg., Lust am Komponieren, Musicalische Zeitfragen 16 (Kassel, Basel and London: Bärenreiter, 1985), S. 70.
- Ullmann, ‚O_ xp_vos‘, S. 89.
- Husserl, Edmund, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, Philosophische Bibliothek 292, 2., revidierte Edition, Hg. Elisabeth Ströker, (Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1996), S. 4, zitiert nach Metzger und Riehn, Musik-Konzepte, S. 33.